Die kleine Tanne

In der Geschichte die kleine Tanne geht es um Verbundenheit. Es geht darum, wie sehr wir uns manchmal verbiegen, um zu gefallen, es geht um den Mut, man selbst zu sein und um unser inneres Leuchten.

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Die kleine Tanne

Auf einer großen Plantage in Norwegen lebte eine kleine Tanne. Glücklich stand sie inmitten Tausender Tannen und fühlte sich pumperwohl. Über ihre Wurzeln war sie mit all den anderen Tannen verbunden. So sprachen sie miteinander und versorgten sich in schlechten Zeiten gegenseitig mit Wasser und wichtigen Nährstoffen.

Eines Tages kamen Männer mit großen Sägen und sägten alle Tannen ab. Bevor die kleine Tanne überhaupt begreifen konnte, was da geschah, wurde auch sie abgesägt. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel um. Ein Mann packte sie, schleifte sie über den Boden und warf sie auf die Ladefläche eines Trucks. Dort kam sie auf den anderen Tannen zu liegen und los ging die Fahrt.

„Was ist passiert? Wo fahren wir hin?“, fragte die kleine Tanne. Aber sie bekam keine Antwort.
„Seltsam?“, dachte sie, „Na ja, wahrscheinlich hört mich keiner, weil dieser Lastwagen so laut brummt.“
Sie beschloss abzuwarten und sah sich die vorbeifliegende Landschaft an.

So vergingen einige Tage, bis der Truck vor einem großen umzäunten Grundstück anhielt. Die Tannen wurden abgeladen, einzeln in Ständer gesteckt und verschwanden hinter einem hohen Zaun. Endlich war auch die kleine Tanne an der Reihe. Aufgeregt wartete sie, was wohl mit ihr passieren würde. Ein Mann packte sie am Stamm, zog sie von der Landefläche herunter und stellte sie vor sich auf.

„Schau dir mal den Baum an!“, sagte er zu einem der neben ihm stehenden Männer und grinste breit.
„Oh je, so einen krummen Baum habe ich ja noch nie gesehen“, antwortete dieser. Er schüttelte den Kopf und lachte laut: „Ha, ha.“ Neugierig geworden drehten sich daraufhin auch die anderen Männer um, und als sie die kleine Tanne sahen, lachten auch sie.
„Der ist so scheußlich, den kauft kein Mensch!“, sagte einer, „Stell den mal ganz hinten hin. Vielleicht braucht jemand am Heiligen Abend noch schnell einen Baum. Und dem ist es dann sicher auch egal, wie der aussieht.“
Und so kam es, dass sich die kleine Tanne ganz am Ende des Geländes neben einem großen Haufen lieblos aufeinander geworfener Äste wiederfand.

„Die Männer haben gesagt, dass ich krumm und scheußlich bin?“, dachte die kleine Tanne und schüttelte verständnislos ihre Äste. „Warum ist eine krumme Tanne scheußlich?“, überlegte sie angestrengt. „Das macht gar keinen Sinn! Wie eine Tanne aussieht, ist doch völlig egal. Wesentlich ist, dass sie ihre Lebensaufgabe erfüllt, die besteht darin verbunden mit allen anderen Tannen einfach eine Tanne zu sein.“

In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass sie die Verbindung zu ihren Artgenossen immer noch nicht spüren konnte und plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Dieses Gefühl war neu für die kleine Tanne. Es war schrecklich und tat furchtbar weh. Traurig stand sie am Zaun und beobachtete, wie eine Tanne nach der anderen verkauft wurde. Die Menschen bewunderten die großen, gerade gewachsenen Tannen. Sie aber wurde nur ausgelacht. Mit dem Finger zeigten die Menschen auf sie und sagten immer wieder: „Schau mal, wie scheußlich diese Tanne ist.“

Die kleine Tanne wurde immer trauriger. „Ich will nicht mehr einsam sein.“, dachte sie und überlegte, was sie tun könnte. Da kam ihr eine Idee. „Ich muss mich bestmöglich darstellen. Dann kommt bestimmt jemand, der mich lieb hat und mitnimmt.“ Also streckte sich die kleine Tanne und verbog ihren Stamm, bis sie halbwegs gerade war. Aber das war sehr anstrengend und es tat grauenvoll weh. Auf Dauer konnte sie das nicht durchhalten. Aber vielleicht konnte sie sich so lange verbiegen, bis jemand sie sah und sie haben wollte.

Jedes Mal, wenn sich ein Mensch ihr näherte, gab die kleine Tanne ihr Bestes. Egal, wie groß die Schmerzen auch waren, sie streckte sich und verbog sich. Sie tat alles, um so zu sein, wie alle anderen Tannen auch. Aber keiner sah sie. Niemand blieb stehen.

Bis sich eines Tages ein kleines Mädchen zu ihr verirrte „Das ist meine Chance.“, dachte die kleine Tanne und fing an, sich mächtig zu verbiegen. Sie streckte sich so hoch wie nie zuvor. Emma, das war der Name des Mädchens, sah der kleinen Tanne eine Weile zu, dann verlor sie das Interesse und lief davon.

Das war zufiel für die kleine Tanne. „Was macht es für einen Sinn, dass ich mich anpasse und all die Schmerzen ertrage, wenn nicht einmal ein kleines Mädchen mich lieb hat?“, dachte sie und schwor sich: „Ich werde mich nie wieder anpassen! Gut, dann bin ich eben alleine und einsam. Das kann ich aushalten, aber diese Schmerzen und das immer so tun, als ob das kann und will ich keine Sekunde länger ertragen.“ Sie nahm ihre natürliche Figur wieder an und sagte laut: „Seht her, DAS BIN ICH!“.

Offenbar hatte Emma die Tanne gehört, denn sie drehte sich zu ihr um. Vor dem Mädchen stand nun eine kleine krumme Tanne, die funkelte wie Milliarden Sterne und deren Licht heller strahlte als die Sonne.

„Papa!, schrie Emma: „Papa, komm her. Schau! Hier steht die schönste Tanne, die ich jemals gesehen habe.“ Der Vater eilte zu seiner Tochter, und als er die Tanne sah, staunte er: „Die ist wunderschön! Das ist genau die richtige Tanne für uns. Die nehmen wir mit.“ Er bat den Verkäufer, die Tanne einzupacken und verstaute sie im Kofferraum.

Am Heiligen Abend versammelte sich die Familie im Wohnzimmer. Die kleine Tanne sah die glücklichen Gesichter der Menschen und freute sich und strahlte. Als ihr bewusst wurde, dass an diesem Abend überall auf der Welt Tannen ebenso strahlten wie sie selbst, erkannte sie den Sinn ihres Daseins. Sie spürte sich wieder mit all ihren Schwestern und Brüdern verbunden.

Gemeinsam funkelten und strahlten die Tannen und schenkten der Welt den schönsten Weihnachtsabend aller Zeiten.

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