Glaubenssätze heilen – geht das?

Auf allen Kanälen lese und höre ich, dass Glaubenssätze mein Leben blockieren und wie ich sie einfach und schnell loslassen kann. Das klingt gut, denn wer will nicht frei und leicht durch dieses Leben fließen? Aber warum gelingt mir das nicht? Ich frage mich: Was sind Glaubenssätzen, wie entstehen sie und wie kann ich Glaubenssätze wirklich heilen? Interessiert? Dann lies diesen Artikel. Es wird spannend.

 

 

Was sind Glaubenssätze?

Ich bin ein Kind der Generation „Leiste was, dann biste was!“. Diesen Glaubenssatz habe ich im Elternhaus, auf dem Spielplatz, in der Schule und in der Werbung gehört und vorgelebt bekommen. Flankiert von Sprüchen wie:

„Ohne Fleiß kein Preis!“

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“

„Du musst dich anstrengen, wenn du etwas werden willst!“

Glaubenssätze sind Überzeugungen, die zu unserer inneren Realität werden. Wir nehmen die Welt durch die „Brille“ dieser Überzeugungen wahr und verhalten uns entsprechend. Das Erleben ist derart intensiv, dass wir es für die Wahrheit halten. Wir können uns gar nicht vorstellen, dass es anders sein könnte.

Glaubenssätze bilden neuronale Netzwerke in unserem Gehirn. Diesen Netzwerken liegt ein ganzes System an inneren Sätzen, inneren Bildern, Gefühlen, vielleicht sogar Körperempfindungen zugrunde. Die Traumaexpertin Verena König spricht daher von Glaubenssystemen.

Meiner Meinung nach gibt es in uns eine tief verwurzelte Überzeugung. Sie ist der Ursprung für die unterschiedlichsten Glaubenssätze, die in uns wirken. Ich habe dafür keinen wissenschaftlichen Beweis gefunden, aber ich habe es bei vielen Menschen festgestellt und selbst erfahren. Ich nenne diesen Ursprung den tiefsten Glaubenssatz.

Meiner lautet: Ich bin nicht genug! oder „Ich bin nicht gut genug!

Es ist egal, wie ich es formuliere, es läuft immer darauf hinaus, dass mit mir etwas nicht stimmt und ich mich extrem anstrengen muss, damit ich „genüge“.

Sehr viele Menschen kennen diesen Glaubenssatz. Daneben gibt es natürlich noch ein paar Klassiker, wie:

„Ich bin nichts wert!“

„Mich kann keiner lieben!“

„Ich bin nicht gewollt!“

 

Wie entstehen Glaubenssätze?

Glaubenssätze entstehen durch Prägungen meist sehr früh in unserer Kindheit. Als Kinder sind wir offen und empfänglich für alles, was im Außen geschieht. Wir sind formbar wie Knetgummi. Wir können gar nicht anders, als alles was wir erleben, auf uns zu beziehen und zu verinnerlichen. Auf diese Weise entwickeln wir unsere Glaubenssätze oder Überzeugungen darüber, wie Menschen sind, wie Beziehungen funktionieren und wie die Welt ist.

Prägungen können unter guten Bedingungen erfolgen. Dann bieten sie uns Ressourcen, auf die wir immer wieder zurückgreifen können und die uns dabei unterstützen, die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen. Wir entwickeln die Überzeugung, dass die Welt ein schöner Ort ist und Beziehungen uns unterstützen.

Prägungen können aber auch unter ungünstigen und schlimmen Umständen erfolgen. Sie können traumatisierend wirken. Dann nämlich, wenn das Kind von den Geschehnissen überwältigt wird und diese nicht verarbeiten kann. In Folge wird es zu der Überzeugung gelangen, dass diese Welt ein gefährlicher Ort ist und es anderen Menschen nicht vertrauen kann.

 

Wenn du deine Impulse aus der Hand geben möchtest und nicht genau weißt, an wen, dann empfehle ich dir meinen Leitfaden:

„7 Punkte, wie du die passende Dienstleister:in findest.“

 

 Wie gehe ich mit Glaubenssätzen um?

Seinen tiefsten Glaubenssatz zu kennen, heißt leider noch lange nicht ihn „im Griff“ zu haben. Mittels innerer Anteile treibt der Glaubenssatz bzw. das Glaubenssystem weiter sein Unwesen.

Frau Perfektionismus schreit: „Es ist noch nicht gut genug!“

Der Drill Instruktor fordert: „Mach weiter! Streng dich an!“

Ständig sagen mir die beiden, dass es noch besser geht.

Wenn ich nicht Fauline in mir hätte, ich wäre schon lange im Burnout oder tot umgefallen. Danke, liebe Fauline.

Keiner will ein Sklave seiner Glaubenssätze sein. Wir möchten frei und leicht leben. Wir möchten selbst entscheiden, wann es genug ist und kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir faul auf der Couch liegen.

Daher kommt bei den meisten Menschen irgendwann der Punkt, an dem sie ihren Glaubenssatz einfach nur noch loshaben wollen!

 

Ich will den Glaubenssatz weghaben!

Das Internet und die Sozialen Medien sind voll mit gut gemeinten Ratschlägen, wie wir unsere Glaubenssätze wegbekommen. Wir sollen sie loslassen, neue Glaubenssätze affirmieren oder die alten einfach umdeuteten, dann klappt es auch mit dem Leben.

Ich habe es probiert. Aus „Ich bin nicht genug!“ wurde „Ich bin gut genug!

Aber auch wenn es schön klingt, ich kann den Satz kaum aussprechen. Wenn ich es tue, dann klingt das NICHT einfach mit. Es geht nicht weg!

Nicht nur, dass es nicht funktioniert hat, diese Aktion hat meinen Glaubenssatz sogar noch bestätigt. Egal, wie sehr ich mich auch anstrenge. Nicht mal eine Affirmation bekomme ich hin!

Wir können tiefe Überzeugungen nicht einfach umdenken. Ein Glaubenssatz ist starr und unflexibel. Er entwickelt sich nicht. Irgendwann haben wir JA zu diesem Glaubenssatz gesagt und damit ist er ein Teil unserer Identität. Egal, was wir tun, wie viel wir an uns „arbeiten“ und uns weiterentwickeln. Der Anteil, der den Glaubenssatz trägt, bleibt uns treu. So seltsam es sich auch anhören mag. Er bleibt uns treu, weil er einen guten Grund dafür hat. Was uns heute Probleme macht, kann der Versuch von damals sein, uns zu beschützen und den Schmerz von uns fernzuhalten.

 

Anerkenne, dass der Glaubenssatz dir geholfen hat!

Auch wenn es heute unsinnig erscheint, so haben unsere Glaubenssätze uns als Kinder geschützt. Das ist eine durchaus intelligente Art, mit einem Problem umzugehen.

Frage dich daher, wozu hat dir der Glaubenssatz gedient und wovor hat er dich beschützt?

Als ich ein Kind war, hat mir der Glaubenssatz geholfen, emotional zu überleben. Es war meine Art, damit umzugehen, dass ich die hohen Erwartungen und Ansprüchen meiner Eltern nicht erfüllen konnte.

 

 

Kinder kreieren diese Sätze aus ihrem Erleben heraus, denn sie gehen immer davon aus, dass sie die Ursache für alles sind. Ob Mama schimpft, Papa schlägt oder die Lehrerin sagt, du bist faul. Sie nehmen ihre Bindungspersonen beim Wort und übersetzen alles in Bezug auf sich selbst. Um das zu überstehen, entwickeln sie Glaubenssätze und halten sich daran. Je besser ich bin, desto eher wird Mama sagen, dass ich gut bin.

Anerkenne den Glaubenssatz als das, was er war: Ein guter Helfer in deinen Kindertagen. Dafür kannst du ihm dankbar sein!

In solchen Momenten fühlen wir uns vielleicht sogar mit unserem Glaubenssatz ausgesöhnt. Dennoch bleibt da die Frage, wie wir auf Dauer mit unseren Glaubenssätzen in Frieden leben können?

 

Wie können Glaubenssätze heilen?

Unsere Glaubenssätze werden immer dann aktiv, wenn wir eine neue Realität erleben. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir die Veränderung selbst initiieren oder ob nicht. Wenn die neue Realität auf ein altes Glaubenssystem trifft, dann fühlen sich die dazugehörigen inneren Anteile bedroht und wollen uns schützen.

Anrufe bei fremden Menschen bereiten mir Unbehagen. Egal, wie oft ich bereits gute Erfahrungen damit gemacht habe. Es gibt einen Anteil in mir, der hat immer noch Angst davor, abgewiesen zu werden.

In jedem von uns gibt es einen unversehrten Kern, egal was wir erlebt haben. Ich nenne es unser wahres Wesen. Wenn wir es schaffen, uns mit diesem Aspekt zu verbinden, dann entsteht das tiefe Bewusstsein von geliebt zu sein. Dann fühlen wir es: Wir sind wertvoll, willkommen und genug.

In dieser Verbundenheit wird es möglich, neue Räume für uns zu eröffnen, in denen wir neue Erfahrungen machen können.

Suche dir Gelegenheiten, in denen du neue Erfahrungen machen kannst, ein Umfeld, welches dich nährt, Menschen, die wohlwollend und wertschätzend sind, Herausforderungen, die dich Schritt für Schritt ermutigen und stärken.

Immer, wenn ich einen fremden Menschen anrufen möchte oder muss und dieses Unbehagen spüre, erinnere ich meine besorgten und beschützen wollenden Anteile an die vielen Telefonate, die wir schon geschafft haben. Ich mache mir bewusst, dass ich gut mit Menschen umgehen kann und auch schon schwierige Situationen gemeistert habe.

Wir können unseren inneren Kern stärken, indem wir uns wohlwollen unseren Gefühlen zuwenden und unserem inneren Erleben öffnen. Mache alles, was dir guttut, wohlwollen und lebensbejahend ist. So werden deine Glaubenssätze oder Glaubenssystem sich sanft lösen. Mit jedem Schritt werden sich deine inneren Anteile entwickeln und erkennen, dass sie nicht mehr an alten Glaubenssätzen festhalten müssen, um dich zu schützen.

Manchmal brauchen wir dazu Hilfe. Vielleicht in Form eines Coachings oder einer traumasensiblen Therapie. Wir können und müssen nicht alles alleine schaffen!

 

Fazit

Glaubenssätze sind mehr als Sätze. Es sind ganze Glaubenssysteme und wirken in Form von inneren Anteilen in uns und auf uns ein. Wir können Glaubenssätze oder innere Anteile nicht einfach wegmachen. Sie haben uns gedient und uns beschützt und sind uns treu. Wenn wir uns mit dem Teil in uns verbinden, der unversehrt ist, dann können wir nach und nach neue Erfahrungen machen. Damit stärken wir unseren inneren Kern und unsere inneren Anteile müssen uns nicht mehr beschützen und können sich sanft lösen.

 

Empfehlungen:

Die Traumaexpertinnen Verena König und Dami Charf haben viele Blogartikel und Podcasts herausgebracht. Es lohnt sich auf ihren Websites und YouTube Kanälen zu stöbern. Bestimmt ist einiges Interessante für dich dabei.

Verena König, www.verenakoenig.de

Dami Charf, www.damicharf.com

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Meike

    Ich sage immer „was in den Kopf reingeht, geht auch wieder raus“. 😉 Lg

    1. Andrea Wieland

      Liebe Meike, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, dass du meinen Beitrag belesen hast. Manchmal ist es tatsächlich so „einfach“. Bei Menschen mit Trauma im Hintergrund ist es komplexer und sie brauchen therapeutische Unterstützung. Herzliche Grüße Andrea

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